Klimabericht Gemeinderatssitzung vom 25.03.2021

von Stefan Klein
Hinweis: Alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen. Korrekturen nehme ich gerne entgegen. Am Ende finden Sie meinen persönlichen Kommentar zur Sitzung.

Kurzüberblick

Der Eberbacher Wald

Anlässlich des Beschlusses der Forstbetriebspläne für das Jahr 2021, erstattete Manfred Robens, Leiter des Kreisforstamtes, Bericht über den Eberbacher Wald.

Der Eberbacher Wald sei durch die vergleichsweise hohe Vielfalt an Baumarten gut gerüstet, die Dürre der letzten drei Jahre sei aber deutlich zu spüren. Der Anteil des Schadholzes an der geernteten Holzmenge lag in den letzten drei Jahren spürbar höher als früher bei 35% bis knapp 40%. Besondere Sorge hätte ihm letztes Jahr ein größerer Anteil an alten Buchen gemacht, die gefällt werden mussten, weil sie die 3 Jahre andauernde Dürre nicht mehr ausgehalten hätten.
Um die Problematik der lang anhaltenden Dürre zu verdeutlichen zeigte Robens aktuelle Karten des Dürremonitor auf Basis von Daten des DWD. Sie zeigen, dass bei Betrachtung der tieferen Bodenschichten, die für die Bäume wichtig sind, in der Region um Eberbach auch in diesen Tagen noch Dürre herrscht, die als “schwere Dürre” auf der Mitte der Skala liegt - und das obwohl es im Winter verhältnismäßig gut geregnet hat inklusive mehrerer Schneefälle, die langsam einsickern konnten.

Auf Nachfrage von Stadträten erläuterte er auch, dass man bemüht sei, das Holz vor allem in der Region zu vermarkten. Teilweise dramatischer Schadholzanfall verbunden mit Preisdruck auf dem Holzmarkt habe aber auch Exporte nach China oder Vietnam nötig gemacht. Welchen Anteil dies ausmacht, wurde nicht beziffert.

Außerdem erläuterte er, dass ein bewirtschafteter Wald ein besserer CO2-Speicher sei als ein sich selbst überlassener Wald. Ein sich selbst überlassener Wald strebe immer auf ein Gleichgewicht hin, was die CO2-Speicherung angeht. Wird jedoch Holz geerntet, kann neues Holz nachwachsen und weiteres CO2 binden. Das geernte Holz wiederum könne verbaut werden und spreichere damit in Möbeln oder Gebäuden über Jahrzehnte dauerhaft CO2. Außerdem ersetzte es dabei andere Werkstoffe, die CO2-intensiver sind, so dass noch einmal CO2 eingespart wird.

Wohnquartier in der Friedrichsdorfer Landstraße

In der Friedrichsdorfer Landstraße auf dem Geländer der ehemaligen Gärtnerei Schlickenrieder gegenüber von Blumen Hildebrand soll ein neues Wohnquartier errichtet werden (die RNZ berichtete hier und hier). Es handelt sich um eine Anlage mit 7 Häusern und 60 Wohneinheiten. Der Gemeinderat beriet über die Aufstellung eines Bebauungsplans.
Dabei geht es um einen sogenannten vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Dieser unterscheidet sich vom normalen Bebauungsplan dadurch, dass er sich auf klar umrissenes Projekt eines einzelnen Investors bezieht. Die Kommune hat dabei die Möglichkeit, über einen Durchführungsvertrag mit dem Investor Regelungen zu treffen, die über die Vorgaben eines üblichen Bebauungsplans hinausgehen. Die Erstellung eines Entwurfs für diesen Durchführungsvertrag war ebenfalls Teil des Beschlusses.

Zur Eröffnung der Debatte stellte Stadträtin Thomson für die AGL-Fraktion den Antrag, für das Wohnquartier ein hochenergieeffizientes Gebäudekonzept umzusetzen auf dem Niveau von Passivhäusern, die die größte Zeit des Jahres ganz ohne zusätzliche Heizenergie auskommen. Diese Vorgabe solle in den Durchführungsvertrag aufgenommen werden. Der Antrag wurde erst kurz vor der Sitzung von der AGL kommuniziert, komme “aber sicher nicht überraschend”, so Kerstin Thomson. Sie begründete den Antrag mit dem auf der letzten Sitzung gefassten Klimabeschluss und der besonderen Notwendigkeit, Gebäude aufgrund ihrer langen Lebenszyklen zukunftsfähig auszurichten.
Auf eine Anmerkung von Stadtrat Stumpf (CDU), dass es ihm wichtiger erscheine, bei der Beheizung auf Erneuerbare Energien zu setzen als nur auf den geringen Verbrauch eines Passivhauses zu achten, ergänzte Kerstin Thomson, dass beides zwangsläufig zusammen gehöre

Stadtrat Schieck (SPD) äußerte Bedenken, dass der Antrag sehr kurzfristig komme und den Bauträger möglicherweise überfahre. Dem Antrag könne die SPD-Fraktion daher nicht zustimmen, auch wenn sie klar zum Klimabeschluss und der Absicht dahinter stünde. Der Fraktion sei es wichtig, dass die Verwaltung mit dem Bauträger das Thema bespricht und im Dialog abklärt, was möglich ist (“von mir aus auch Passivhausstandard”), aber nicht mit einem Antrag den Bauherrn verpflichtet. Das erscheine ihm aufgrund der Kurzfristigkeit nicht fair.

Stadträtin Thomson (AGL) erwiderte, der Antrag könne nicht überraschend kommen, die AGL-Fraktion habe von den ersten Gesprächen an und auch im Dialog mit den Architekten ihre Position klar geäußert. Im Übrigen habe auch der Bauträger gesagt, er habe zukunftsorientierte Vorstellungen.

Stadtrat Stumpf (AGL) sprach sich für eine klare Position aus: “Dialog bin ich dafür, aber wir sollten klare Kante zeigen, was wir wollen”. Er könne es nicht verstehen, dass jetzt bereits davon abgerückt werde, was eine Woche zuvor beschlossen wurde. “Jetzt haben wir ein Bauvorhaben und da haben wir eine Möglichkeit Einfluss zu nehmen. Es wäre eine Chance, das gleich mal richtig umzusetzen.”

Stadtrat Schulz (CDU) erwiderte: “Es gehören immer zwei Leute dazu. Wir können hier beschließen wie wir wollen, wenn der Bauherr dann nicht baut, haben wir nichts gewonnen”. Schließlich sei es doch im gemeinsamen Interesse, das gebaut werde, Innenverdichtung (Anm.: Nutzung von Baulücken im inneren Stadtgebiet) sei allen wichtig. Auch er sprach sich für Dialog aus. “Ehrgeizig, zielvoll, ja, aber im Dialog”.
Scharfe Kritik übte er an dem nachdrücklichen Verweis der AGL-Fraktion auf den Klimabeschluss von vor einer Woche. Es müsse auch gesagt werden, dass es sich dabei um eine Kampfabstimmung mit knapper Mehrheit gehandelt habe und dass nicht alle da waren. “Ich habe nicht zugestimmt, also habe ich jetzt auch das Recht anderer Meinung zu sein”

Stadtrat Wessely (FWE) erkundigte sich, wie der Bauträger einzuschätzen sei in seiner Offenheit für das Thema. Bauamtsleiter Detlef Kermbach äußerte, dass er kooperativ wirke und durchaus auch ökologische Überlegungen verfolge. “Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen”, so sein Fazit.
Weiter erwähnte Herr Kermbach, dass die Verwaltung bereits prüfe, welche Vorgaben in einem Bebauungsplan umgesetzt werden können. Was in jeden Fall möglich sei, sei die Regelung im Vertrag in irgendeiner Form.

Stadtrat Wessely griff dies auf, um dafür zu plädieren, erst einmal in den Dialog zu gehen und die Festlegungen später noch im Vertrag zu machen.

Die Frage nach dem zukünftigen Spielraum blieb teilweise unklar. Herr Kermbach erläuterte, dass es heute nur darum gehe zu beschließen, dass überhaupt erstmal ein Plan erstellt werden soll, die Details seien noch offen. Stadtrat Jost (AGL) hatte gewisse Zweifel, wie stark sich der Gemeinderat mit dem Beschluss bereits an ein Konzept binde.

Die Diskussion drehte sich im Folgenden vor allem um die Frage, ob es im Sinne des Klimabeschlusses richtig und wichtig sei, eine klare Festlegung zu treffen oder ob es angebracht sei, erst einmal das Gespräch mit dem Bauträger zu suchen. Scharfer Tonfall und deutliche Worte prägten die Diskussion.

Stadtrat Schieck (SPD) verwahrte sich gegen den Vorwurf der AGL, man würde den Klimabeschluss nicht ernst nehmen. Er sei einverstanden, für die Zukunft klare Regelungen aufzunehmen, aber es gehe um einen speziellen Fall und hier sei es “entschieden zu kurzfristig” mit Blick auf den Bauträger.

Stadtrat Stumpf (AGL) gab zu bedenken, dass es allzu viele Neubaugebiete dieser Größe in nächster Zeit nicht geben werde und äußerte die Einschätzung, dass eine Ablehnung des Antrags einer Verletzung des Beschlusses gleichkäme, was er als “skandalös” empfinde.

Stadtrat Hellmuth (CDU) warf ihm daraufhin vor, wie die “klimapolitische Axt im Walde” zu verfahren. Wie beim letzten Mal würde wieder eine Chance vertan für Einigkeit. Die Entwicklung werde mit Sicherheit in die Richtung gehen, man könne auch gerne mal ein Zeichen setzen, aber ein Antrag in dieser Eile, kurz vor der Sitzung und nur an einzelne Ratsmitglieder kommuniziert, das sei eine “gute Idee, schlecht umgesetzt”. Es wäre besser gewesen, das Thema abzusetzen und zu versuchen, einen Konsens zu finden mit allen, die es betrifft. “Wir müssen gucken, dass wir auf einer breiten Basis stehen”.

Stadtrat Scheurich (SPD) äußerte Einverständnis in der Sache, aber nicht im Vorgehen. Er unterstrich, dass alle - mit Nuancen - die gleichen Ziele hätten. Er sei auch dafür, solche Themen in Zukunft in Bebauungspläne aufzunehmen. Aber er plädiere für ein bedachtes Vorgehen: “Die Dinge, die beschlossen werden, müssen auch Hand und Fuße haben.”
Auch er sprach sich für Dialog aus, denn gerade dieser Bauherr habe sich bereits intensiv mit Aspekten wie Photovoltaik und Energiebilanz beschäftigt. Er könne das Anliegen des Antrags nachvollziehen und es sollte auch grundsätzlich aufgenommen werden, aber der beantragte Beschluss sei der falsche Weg.

Stadtrat Stumpf (AGL) wiederholte, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für Festlegungen sei und klare Vorgaben auch für den Bauträger hilfreich seien. Er verwahrte sich gegen den Ausdruck der Axt im Walde und hielt wiederum der CDU vor, auf der letzten Sitzung jeden Kompromiss abgelehnt zu haben. Es sei offensichtlich leider nicht richtig, dass alle in diesem Gremium das Gleiche wollen.

Stadtrat Wessely (FWE) warb erneut für ein den Dialog mit dem Bauherr. Man solle den Bauherrn mit ins Boot nehmen, ihm die Möglichkeit geben mitzureden, wo es für ihn hingehen könne. Man könne ja auch versuchen einzuwirken mit Förderberatung etc. Und am Ende könne alles im Durchführungsvertrag festgelegt werden.

Stadtrat Schulz (CDU) betonte erneut, dass alle im Rat Klimaschutz wollten und ging dann Stadtrat Stumpf (AGL) scharf an: “Wenn es Ihnen um Konsenz ginge und nicht um eigenen Willen, hätten Sie letzte Woche den Vorschlag des Bürgermeister akzeptiert. Wenn es nur ist ‘ich will, ich will, ich will’, dann muss ich damit leben, dass auch manche dagegen sind.”

Stadtrat Stumpf (AGL) wies die Vorwürfe zurück. Es ginge nicht darum, was er wolle, sondern was es für den Klimaschutz brauche. “Sie legen immer Wert auf Begründbarkeit”, hielt er Herrn Schulz vor, und 2035 sei das wissenschaftlich klar begründete Ziel.

Stadtrat Schieck (SPD) reagierte ärgerlich. Es sei nicht an der Zeit, den Donnerstag vor einer Woche noch einmal heraufzubeschwören. “Herr Stumpf, ich muss ihnen leider sagen, wenn man etwas öfter wiederholt, wird es davon auch nicht besser”. Er plädierte noch einmal dafür, mit dem Bauherr in den Dialog zu gehen und bat darum, zur Abstimmung zu kommen.

Im Ergebnis stimmten die AGL-Fraktion und Stadtrat Polzin (FWE) für den Antrag der AGL, der restliche Gemeinderat dagegen. Der ursprüngliche Antrag der Verwaltung auf Aufstellung eines Bebauungsplans wurde gegen die Stimmen der AGL bei Enthaltung von Stadtrat Polzin beschlossen.

Kaum Berücksichtigung in der Diskussion fand die Frage, wieviele Stellplätze vorzusehen seien. Die Vorgaben des Landes erfordern 1 Stellplatz pro Wohneinheit, der Bauträger hatte ursprünglich 1,2 Stellplätze vorsehen wollen. Der Rat beschloss nun ohne Diskussion, 1,5 Stellplätze zu verlangen. Die Verwaltung hatte dies damit begründet, dass die Tendenz im ländlichen Raum in Richtung 2 Fahrzeuge pro Haushalt ginge.
Die Frage des Bezuges der Stellplätze zum Klimaschutz (der eine Verkehrswende erfordert) fand keine Beachtung im Rahmen der Diskussion - ebensowenig wie die Frage nach alternativen Möglichkeiten, z.B. Mobilitätskonzepte mit Carsharing, Lastenradverleih etc. wie sie in anderen Städten in Wohnquartieren verfolgt werden und wie sie von einem Bürger in der Fragestunde angeregt wurden.

Kommentar

Die heutige Sitzung bot eine erste Gelegenheit, den in der vorherigen Sitzung gefassten Beschluss zur Klimaneutralität anzuwenden. Am Ende blieben bei mir als Zuschauer Fragezeichen. Es ist dem Rat nicht gelungen, in der Praxis zu demonstrieren, dass er es ernst meint mit dem Klimaschutz.

Dabei geht es mir nicht darum, dass im Einzelfall diskutiert und abgewogen werden muss. Die Tatsache, dass der Klimabeschluss mit knapper Mehrheit gefasst wurde, macht gründliche Diskussionen umso wichtiger.
Doch auf der heutigen Sitzung nahm der politische Schlagabtausch auf beiden Seiten mehr Raum ein als die Suche nach einer Lösung in der konkreten Sache.
Dabei sind alle Ratsmitglieder dem Beschluss verpflichtet. Wie jeder Beschluss bindet er auch diejenigen, die dagegen gestimmt haben. Umso mehr, da die Notwendigkeit "ambitionierten" Klimaschutzes von allen Fraktionen beteuert wird und niemand sich gegen das Ziel “schnellstmöglichen” Handelns verwehrt hatte.

Was am Ende der heutigen Diskussion übrig blieb, war jedoch nicht mehr als der Beschluss eines formalen Antrags der Verwaltung, der die Klimarelevanz in keinem Wort erwähnt. Im Endergebnis war vom allseits befürworteten "ambitionierten" Klimaschutz nichts zu sehen. Der Rat hat im Ergebnis nicht zum Ausdruck gebracht, dass es ihm so ernst ist wie vielfach beteuert wurde.

Dabei wäre es gar nicht nötig gewesen, den Antrag der AGL-Fraktion anzunehmen. Es mag ein berechtigter Einwand sein, dass es zielführender ist, erst mit dem Bauträger zu sprechen, bevor er mit Vorgaben konfrontiert wird.
Aber was hat den Rat davon abgehalten, einen klaren Standpunkt zu formulieren - nicht in der Theorie (“wir sind alle für Klimaschutz”), sondern im konkreten Fall? Zumal niemand ernste Einwände in der Sache gegen den Antrag der AGL geäußert hat, nur in der Methode.
Warum wurde die Verwaltung dann nicht unmissverständlich beauftragt, den Bauträger für ein konkretes Konzept zu gewinnen, zum Beispiel für das von der AGL beantragte hochenergieeffiziente - oder für ein anderes, das die Zustimmung des Rats findet und mit den vereinbarten Klimaschutzzielen konform ist? Wäre dies der Verwaltung nicht gelungen, hätte die Frage wieder an den Gemeinderat zurückgehen können für erneute Beratung.

Das wäre weitaus mehr gewesen als nur den grundsätzlichen Willen zu beteuern und am Ende einem rein formalen Beschlussantrag der Verwaltung zu folgen, der die Klimarelevanz nicht thematisiert. Gleichzeitig hätte es die Einwände gegen den AGL-Antrag berücksichtigt.
Vor allem aber hätte eine solche Beschlussfassung ein klares Signal gesetzt: Ja, wir meinen es ernst. Denn das sollte der Rat in Zukunft deutlich machen, wenn er in der Frage glaubwürdig bleiben will. In der konkreten Tat und nicht nur im Wort.