Klimabericht Gemeinderatssitzung vom 22.07.2021

von Stefan Klein
Hinweis: Alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen. Korrekturen nehme ich gerne entgegen.

Kurzüberblick

TOP Klimaneutralität vorziehen?

Seit der letzten Sitzung des Gemeinderats hat die Tagesordnung einen regelmäßigen, festen Tagesordnungspunkt, in dem über den Fortgang beim Thema "Klimaneutralität 2035" berichtet wird. Dieses Mal trat dieser Punkt unter TOP 16 von 20 Punkten auf der Tagesordnung. Ein Bürger wollte in der Bürgerfragestunde wissen, ob der Punkt in Zukunft weiter oben die Tagesordnung gesetzt werden könnte, um seiner Bedeutung gerecht zu werden.
Herr Reichert erklärte, dass die Reihenfolge der Tagesordnung keine besondere Bedeutung habe. Man versuche lediglich, Punkte, die die Anwesenheit von externen Personen erfordern, weit nach vorne zu ziehen, damit diese nicht lange warten müssten. Man könne also versuchen, den Punkt in Zukunft nach vorne zu ziehen.

Entwurf des Bebauungsplans für das Wohnquartier in der Friedrichsdorfer Landstraße

In der Friedrichsdorfer Landstraße auf dem Geländer der ehemaligen Gärtnerei Schlickenrieder soll ein Wohnquartier mit 60 Wohneinheiten entstehen. Als am 25.03. im Gemeinderat zuletzt darüber beraten wurde, war es zu einer heftigen Diskussion gekommen, als die AGL den Antrag gestellt hatte, für das Wohnquartier ein hochenergieeffizientes Gebäudekonzept auf dem Niveau von Passivhäusern umzusetzen (Bericht). Im Nachgang erschienen Leserbriefe in der RNZ. In der Bürgerfragestunde der aktuellen Sitzung hatte ein Bürger an den Rat appelliert, um das beste Ergebnis für den Klimaschutz zu ringen.
Vorgestellt und beschlossen wurde in der Sitzung der Vorentwurf für Bebauungsplan und Vorhaben- und Erschließungsplan. Enthalten ist ein grobes Energiekonzept, dass Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern vorsieht, im Untergeschoss Platz für Stromspeicher einkalkuliert und einen Gebäudestandard KfW 55 anstrebt. Der Standard KfW 55 entspricht einem Energiebedarf von max. 35 kWh/qm und Jahr. Zur Einordnung: Der gesetzlich zusätzliche maximale Verbrauch liegt aktuell beim Standard KfW 70 mit max. 45 kWh, anvisiert ist also ein Niveau, das auf 78% des gesetzlichen Niveaus liegt. Das von der AGL ursprüngliche anvisierte Passivhaus-Niveau entspräche max. 15 kWh, das wären 33% des gesetzlichen Nivaus gewesen also noch einmal um gut die Hälfte weniger als jetzt vorgesehen (alle Daten von Wikipedia).
Die AGL zeigte sich dennoch zufrieden. Kerstin Thomson lobte das frühzeitig berücksichtigte Energiekonzept, so etwas sei bisher nicht üblich gewesen. Peter Stumpf begrüßte es, dass dem Anliegen der AGL Rechnung getragen worden sei. Der Standard KfW 55 liegt auch bereits dem Konzept für das geplante Gebäude an der Neckarstraße zu Grunde, zu dem auf der letzten Sitzung die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen wurde. (Bericht)
Der Entwurf für die Friedrichsdorfer Landstraße wurde einstimmig und ohne nennenswerte Diskussion beschlossen.

Fehlende Informationen zur Klimarelevanz beim HSG

Beschlussvorlagen sollen seit dem Grundsatzbeschluss vom 18.03. einen Abschnitt Klimarelevanz enthalten. Beim Beschluss über die Vergabe von Bauleistungen zur Sanierung des HSG stand dieses Mal im Abschnitt Klimarelevanz: “Da die Planungen zum Zeitpunkt des Beschlusses zur Klimaneutralität bis 2035 bereits abgeschlossen waren, kann hierzu keine Aussage getroffen werden.”
Stadträtin Thomson merkte dazu an, dass eine Aussage sehr wohl möglich sei, da die Zahlen zur CO2-Emission schon im Rahmen des Zuschussantrags ermittelt werden müssten und sie auf einer vergangenen Gemeinderatssitzung bereits vorgelegt wurden (Sitzung vom 01.10.20).

Müssen Kanäle im Sinne der Klimaanpassung zukünftig anders dimensioniert werden

Im Rahmen der Tagesordnungspunkte zur Kanalsanierung hinterfragte Stadrat Jost den Abschnitt Klimarelevanz in der Beschlussvorlage, der feststellte, es gäbe keine Relevanz. Jost stellte in den Raum, dass vor dem Hintergrund der gerade erlebten verheerenden Starkregen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ein Kanalnetz möglicherweise doch Klimarelevanz haben könnte und wollte wissen, ob man die Kanalplanung vor diesem Hintergrund nicht ganz neu dimensionieren müsse.
Herr Hafen, Leiter des Tiefbauamtes, verwies darauf, dass es bei dem Tagesordnungspunkte nur um die Vergabe der Planung gehe, die hydraulische Berechnung habe bereits stattgefunden.
Herr Reichert vermutete, dass die Starkregenereignisse sich sicherlich in einer Neuberechnung der üblichen Niederschlagswerte zeigen werden, die als Grundlage für die Kanalplanung sind. Bei solchen Regen wie in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz helfe allerdings kein Kanal mehr. Aber es müsse ja nicht gleich ganz so schlimm kommen.

Ersatzbeschaffung eines LKW

Die Stadtverwaltung beantragte die Ersatzbeschaffung eines LKW mit Kipper und Ladekran für den Bauhof. Es wurden Diesel-Antriebe der neuesten Technik ausgeschrieben, rein elektrische Fahrzeuge seien für den Einsatzzweck aktuell nicht ausgelegt.
Stadträtin Thomson (AGL) wies darauf hin, dass bei zukünftigen Vergaben der Kraftstoffverbrauch das wichtigste Entscheidungskriterium sein müsste. Im aktuellen Fall wurde zunächst nach Angebotspreis und dann erst nach Verbrauch entschieden. Da in diesem Fall günstigster Preis und geringster Verbrauch zusammen fielen, hatte das keine weitere Auswirkung. Für die Zukunft soll die Gewichtung aber anders sein, dies wurde bereits in der Vorbesprechung abgestimmt.
Stadtrat Kaiser (AGL) wollte wissen, ob das alte Fahrzeug weiterverkauft werde und stellte die Frage in den Raum, ob das im Sinne des Klimaschutzes sinnvoll sei. “Wir brauchen uns nicht zu rühmen, den Dieselantrieb der neuesten Generation zu haben, wenn das alte Fahrzeug irgendwo im Ausland weiterfährt”. Seiner Ansicht nach müsste das zwar im Einzelfall entschieden werden, aber es wäre zu prüfen, ob es nicht im Einzelfall auch richtig sein kann, ein Fahrzeug nur noch zu verschrotten und zu recyceln.

Herr Reichert bestätigte, dass das Fahrzeug über eine Verkaufsplattform verkauft werden solle. Das von Herrn Kaiser angeregte Vorgehen bezeichnete er als eine weitreichende Entscheidung, die man sich auch leisten können müsse.

Stadtrat Polzin (FWE) konnte sich für die Überlegung von Herrn Kaiser nicht erwärmen. Das Fahrzeug solle man schon verkaufen. Immerhin könne man auch so darauf sehen, dass im Ausland damit ein noch älteres Modell ersetzt würde, was unter dem Strich auch wieder ein Gewinn sei.

Stadträtin Thomson (AGL) schlug vor, einen konkreten Verkaufspreis in Erfahrung zu bringen und dann auf Basis dessen für den Einzelfall zu entscheiden. Herr Reichert ging auf den Vorschlag ein und versprach mit einer konkreten Preisvorstellung zurück zu kommen.

Bebauungsplan Ringenacker, Pleutersbach

In Pleutersbach soll ein neues Wohngebiet am Ortsrand erschlossen werden mit 10 Bauplätzen für Einfamilienhäuser. Der Vorentwurf wurde bereits am 26.11.2020 gebilligt, heute ging es um den Entwurf.
Für die Erstellung des Entwurfs wurde geprüft, inwiefern es rechtlich möglich ist, klimarelevanten Vorgaben zu machen. Dazu gehören Aspekte wie die Vermeidung gegenseitiger Verschattung der Gebäude oder eine solargeeignete Dachneigung. Diese Aspekte wurden umgesetzt. Bei der Festschreibung eines Energiestandards ergab die Prüfung, dass diese im Bebauungsplan rechtlich nicht möglich ist.
Meinungsverschiedenheiten bestanden in der Frage, ob eine Erschließung in den Außenbereich hinein heutzutage noch angemessen ist. Herr Reichert und der größere Teil des Gemeinderats waren der Auffassung, man müsse neben der von allen gewollten Innenverdichtung auch weiterhin Entwicklungsräume bieten. “Es muss ihnen klar sein, dass sie Familien verlieren werden. Unsere Stadt wird älter und älter und die jungen Familien werden gehen.”, entgegnete Herr Reichert den Stimmen von AGL sowie Teilen der CDU, die sich für ein grundsätzliches Umdenken aussprachen.

Stadtrat Stumpf (AGL) sprach sich dafür aus, wenigstens klare Vorgaben im Sinne des Klimaschutzes zu machen, wenn das Baugebiet nun schon beschlossen würde. Die Flächen seien alle im Eigentum der Stadt, folglich könnten in den Kaufverträgen klare Vorgaben gemacht werden. Auch die Möglichkeit einer gemeinsamen Wärmeversorgung sollte erwogen werden.

Lesenswert sind einige der Stellungnahmen im Rahmen der Offenlegung, insbesondere von Mitgliedern des Ortschaftsrats und von der Unteren Landwirtschaftsbehörde. Letztere stellt fest: "Auch wenn die hier überplante, landwirtschaftliche Nutz- fläche mit 0,4 ha vergleichsweise klein ist, sollte überprüft werden, ob in diesem Umfang nicht auch Flächen in- nerörtlich […] überplant werden können. Das Baugebiet wird in die freie Natur ohne Flächennut- zungsplan und Umweltverträglichkeitsprüfung in den Außenbereich verlegt. Es handelt sich hier nicht um eine ortstypische Ortsrandgestaltung oder Arrondierung vom Dorfgebiet. Die Nutzung des § 13 b BauGB ist in dieser Form vom Gesetzgeber nicht so bedacht."

Von Stadrat Schieck (SPD) und der Ortsvorsteherin Rupp wurde die Friedhofserweiterungsfläche erneut ins Gespräch gebracht. Dabei handelt es sich um eine Fläche, die dem Friedhof zugedacht war, aber in Zukunft nicht gebraucht wird. Diese liegt im Innenbereich. Herr Reichert stimmte zu, dass man diese Fläche in Zukunft entwickeln könne, man habe sich schon seit Jahren Gedanken darüber gemacht, es gäbe gewisse Hürden, die besprochen werden müssten.

Stadrat Kaiser (AGL) äußerte die Sorge, dass ein Sporn in die Landschaft, wie das Baugebiet ihn darstellt, zwangsläufig zu weiteren Erschließungen rechts und links davon führen würde. “In meinen Augen ist das die völlig falsche Entwicklung”. Innen- vor Außenentwicklung hieße auch, die Friedhofserweiterungsfläche zuerst zu entwickeln.

Bei der Abstimmung stimmten die Mitglieder der AGL-Fraktion, Stadträtin Greif (CDU), Stadtrat Hellmuth (CDU) sowie ein weiteres Ratsmitglied, das aus dem Zuschauerraum nicht zu sehen war, gegen den Antrag, Herr Reichert und die übrigen Gemeinderäte dafür.

Bewerbungen auf Klimaschutz-Stellen

Im Rahmen des Tagesordnungspunkt Klimaneutralität informierte Herr Kermbach, dass zu den mittlerweile beendeten Stellenausschreibungen für eine*n Sachbearbeiter*in Klimaschutzmanagement und eine*n Sachbearbeiter*in Energiemanagement Bewerbungen eingegangen sind, die nach erster Sichtung interessant aussehen. Bewerbungsgespräche folgen.

Angebote für den Maßnahmenplan treffen ein

Im Rahmen des Tagesordnungspunkt Klimaneutralität informierte Herr Kermbach, dass für die Ausarbeitung eines Maßnahmenplans mittlerweile ein Angebot vorliege, ein zweites sei in Aussicht. Nachdem es zunächst schwer gewesen war, ein Büro zu finden, zeigte sich Herr Kermbach diesmal wieder zuversichtlich. Das erste Angebot sähe gut aus und entspräche dem, was man sich vorstelle. Es sei damit wieder denkbar, dass bis Ende diesen/Anfang nächsten Jahres ein Entwurf vorliege.

Nächste PV-Anlage fertig

Im Rahmen des Tagesordnungspunkt Klimaneutralität informierte Herr Kermbach, dass nach dem neuen Feuerwehr-Gerätehaus nun auch das Gebäude in der Uferstraße 3 als nächstes städtisches Gebäude eine Photovoltaik-Anlage erhalten hat. Die Anlage ist installiert und geht in Kürze in Betrieb.

European Energy Award, Energieteam

Im Rahmen des Tagesordnungspunkt Klimaneutralität informierte Herr Kermbach, dass am 08.07. die Auftaktsitzung für den European Energy Award (eea) stattfand gemeinsam mit Peter Kolbe von der KliBA, der als Berater fungiert. Im Dezember hatte der Gemeinderat die Teilnahme beschlossen. (Bericht). Am 23.09. findet sich nun erstmals das Energieteam zusammen, das für die Umsetzung des eea zuständig ist, indem es die Ist-Situation analysiert, Projektvorschläge entwickelt und Ergebnisse kontrolliert. Zum Team gehören Herr Reichert, die Amtsleiter Frau Steck (Hauptamt), Herr Kermbach (Bauamt), Herr Müller (Kämmerei), Frau Weiß (Klimaschutzmanagerin), Herr Stab als Vertreter der Stadtwerke, Vertreter der Fraktionen in Person von Frau Thomson (AGL), Herrn Scheurich (SPD), Herr Polzin (FWE) und Frau Gummich (CDU) sowie Herr Klein als Vertreter der Klimainitiative. Die Moderation übernimmt Peter Kolbe von der KliBA.
Mehr zum eea erfahren Sie im Erklärvideo des eea, auf der Website des eea oder in der umfangreichen und informativen Beschlussvorlage der Verwaltung für den Gemeinderat.

Öffentliche Vortrags- und Diskussionveranstaltung

Stadtrat Polzin griff seine Anfrage von der letzten Sitzung wieder auf, eine öffentliche Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Peter Kolbe von der KliBA anzubieten (Bericht). Peter Kolbe hatte bereits im letzten August im Gemeinderat vorgetragen (Bericht). Polzin informierte, dass er, nachdem die Verwaltung eine Organisation aus Zeitmangel abgelehnt hatte, die VHS angesprochen habe, die die Veranstaltung nun durchführen wolle.

Dienstrad-Angebot für städtische Mitarbeiter

Die Stadt möchte Ihren Mitarbeitern zukünftig die Möglichkeit eines Dienstrads anbieten. Dazu schließt die Stadt einen Rahmenvertrag mit einem Dienstleister, der ihr die Möglichkeit gibt, Diensträder zu leasen, die dann Mitarbeitern gegen eine finanzielle Beteiligung in Form einer Entgeltumwandlung überlassen werden. Die Räder können dann dienstlich wie privat genutzt werden. Da der Stadt durch die Entgeltumwandlung ein Vorteil in Form eingesparter Sozialabgaben entsteht, sollen die Mitarbeiter zusätzlich einen Zuschuss zur Leasing-Rate in Höhe von 17€ bekommen. Der Gemeinderat stimmte dem Vorhaben und dem Abschluss eines Rahmenvertrags mit dem Dienstleister REGONOVA GmbH, Neustadt ("BusinessBike") einstimmig zu.

Beteiligungswerkstatt zur Klimaneutralität mit Mehr Demokratie und IPG

Stadtrat Stumpf erkundigte sich nach dem Standpunkt der Verwaltung zu einer Anfrage, die über die Klimainitiative eingegangen war. Der Verein Mehr Demokratie e.V. möchte im Rahmen seines Projektes “Die Klimadebatte” in einer Kommune eine Beteiligungs-Werkstatt durchführen lassen zur Frage “Wie kann unsere Kommune klimaneutral werden?”. Beauftragt wird dazu das Institut für Partizipatives Gestalten, das bereits an den aktuellen bundesdeutschen Klima-Bürgerräten mitgewirkt hat (Deutschlands Rolle in der Welt unter Schirmherrschaft von Wolfgang Schäuble und Bürgerrat Klima unter Schirmherrschaft von Horst Köhler, Anm: letzterer hat mittlerweile seine Ergebnisse vorgelegt). Die Klimainitiative war dazu angefragt worden und hatte die Anfrage an die Stadtverwaltung weitergegeben.
“Wir sind da im Gespräch. Wir haben die Anfrage erst vor wenigen Tagen bekommen”, sagte Herr Reichert und wandte sich nachfragend an Herrn Kermbach, der ergänzte: “Wir würden uns schon gerne beteiligen. Wir halten das für eine sehr gute Idee, es ist wichtig, dass die Bürger einbezogen werden. Es gibt allerdings noch einige Fragen zu klären.”