Klimabericht Gemeinderatssitzung vom 15.12.2021

von Stefan Klein
Hinweis: Alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen. Korrekturen nehme ich gerne entgegen.

Kurzüberblick

Mobilitätspass und Mobilitätsgarantie

Der Rhein-Neckar-Kreis wurde vom Land als Modellregion für Mobiliätspass- und garantie ausgewählt. “Die Grundidee eines Mobiliätspasses ist es, dass zum Beispiel die Kraftfahrzeug-Halterinnen und -Halter einen wesentlichen Beitrag bezahlen, für den sie auch ein ÖPNV-Ticket beziehungsweise eine entsprechende Ermäßigung bekommen, den Mobilitätspass.” (Website des Landes). Mit den Beiträgen werden Verbesserungen des ÖPNV finanziert. Die Mobilitätsgarantie soll Verlässlichkeit gewährleisten. “Alle Orte sollen zu den gängigen Verkehrszeiten im Ballungsraum mindestens alle 15 Minuten und im ländlichen Raum alle 30 Minuten angebunden sein” (Website des Landes, letzter Abschnitt).
Eine Bürgerin wollte in der Einwohnerfragestunde wissen, wie Eberbach die Tatsache für sich nutzen könne, dass der Rhein-Neckar-Kreis als Modellregion für Mobilitätspass und -garantie ausgewählt wurde. Bürgermeister Reichert bedankte sich für die Anregung und antwortete, dass man sich die Frage in der Verwaltung auch schon gestellt habe und bereits damit beschäftigt sei, Erkundigungen einzuholen.

Meilensteinplan

Herr Mücke vom Büro Energielenker stellte dem Gemeinderat und der Öffentlichkeit den ersten Entwurf für den Meilensteinplan vor. Mehrfach betont wurde, dass es sich noch um einen Entwurf handelt. Dieser Entwurf stellt eine Möglichkeit dar, wie das Ziel erreicht werden kann, die sich aus einer Kombination von Maßnahmen zusammen setzt. Die Auswahl und Gewichtung der Maßnahmen wurde vom Büro Energielenker in Absprache mit dem Klimaschutzmanagement vorgenommen und muss oder kann im weiteren diskutiert werden, wobei Anpassungen möglich sind. Der erste Teil des Plans umfasst Potentialanalyse und Zielszenario, der zweite Teil konkrete Maßnahmen.

Bei der Potentialanalyse wird untersucht, welche Möglichkeiten bestehen, in Eberbach einerseits Energie einzusparen und andererseits die noch benötigte Energie regenerativ zu erzeugen. Das Zielszenario beschreibt, welche Veränderungen nötig sind, um das Klimaschutzziel zu erreichen. Im aktuellen Entwurf gehören dazu beispielsweise eine Sanierung des gesamten Gebäudebestands (was bedeutet, dass jedes Jahr 3,5-9,5% der Gebäude saniert werden müssten), eine Belegung von 90% aller Dachflächen mit Photovoltaik, eine Abnahme des mototorisierten Individualverkehrs (Autos) um 24%, ein Anteil der alternativen Antriebe (z.B. Elektroautos) von 86%, der Austausch von Gas- und Ölheizungen oder die regenerative Erzeugung von 100% des in Eberbach benötigten Stroms.
Letzteres ist in Eberbach möglich, wie die Potentialanalyse zeigt. Das Büro Energielenker sieht die technische Möglichkeit, auf Eberbacher Stadtgebiet ein Mehrfaches des benötigten Stroms zu erzeugen. Bei den Berechnungen wurde jedenfalls eine Variante mit Windrädern auf dem Hebert dargestellt und eine Variante ohne. Diese Möglichkeit zur Deckung des Eigenbedarfs geht allerdings Hand in Hand mit Maßnahmen zur Reduzierung des Endenergiebedarfs. Bis 2035 könnten damit laut Plan 40% eingespart werden.
Deutlich zeigt der Plan aber auch, dass es nicht möglich sein wird, den CO2-Ausstoß auf 0 Tonnen abzusenken. Beispielsweise verursacht selbst eine Photovoltaik-Anlage CO2 bei Ihrer Herstellung, das dann auf den am Ende von ihr erzeugten Strom umgelegt werden muss. Folglich ist auch die Frage zu klären, wie die unvermeidbaren, verbleibenden Emissionen ausgeglichen werden können.

Die Maßnahmen im zweiten Teil des Plans sind gegliedert in die Bereiche “Übergeordnete Maßnahmen”, “Erneuerbare Energien”, “Bauen und Sanieren” und “Mobilität”. Zu den übergeordneten Maßnahmen gehört an erster Stelle eine starke Öffentlichkeitsarbeit und eine proaktive Ansprache der Bürger. Ebenso genannt wurden die Verwaltung als Vorbild (beispielhafte Sanierung der eigenen Gebäude) und die Etablierung eines zukunftsfähigen Klimaschutzmanagements.
Im Bereich "Erneuerbare Energien" wurden Wind und Photovoltaik auf Dächern ebenso wie auf Freiflächen genannt, natürlich auch der potentielle Windpark auf dem Hebert, außerdem die Berücksichtigung des Klimaschutzes in Quartierskonzepten und Neubauquartieren und die Erstellung einer kommunalen Wärmeplanung.
Für den Bereich “Bauen und Sanieren”, der wie kein anderer außerhalb des direkten Einflusses der Stadt liegt, wurde erneut auf die Wichtigkeit von Öffentlichkeitsarbeit hingewiesen. Neben der Dämmung von Gebäuden, gehe es hier auch um den Austausch von Heizungen gegen Fernwärme oder solche Heiyungen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden können, hauptsächlich Wärmepumpen. Für Neubauten sollten klare Anforderungen festgelegt werden, die einem möglichst hohen Standard entsprechen.
Im Bereich Mobilität schlägt der Plan vor, attraktive Infrastruktur und Alternativen anzubieten: gepflegte Radwege, Carsharing (möglicherweise unter Einbeziehung von Fahrzeugen aus dem städtischen Fuhrpark), ein gestärkter ÖPNV, Ladeinfrastruktur. Gleichzeitig könnte der motorisierte Individualverkehr weniger attraktiv gemacht werden, beispielsweise durch verkehrsberuhigte Zonen oder Parkraummanagement.

Die anschließende Fragerunde machte deutlich, dass noch einiger Klärungs- und Beratungsbedarf besteht. Woher stammen die Daten für die Ertragsangaben bei Windkraft oder Wasserkraft? Dürfte sich die Stadt einen potentiellen Windpark auf dem Hebert auch dann anrechnen, wenn ein externer Investor den Bau übernimmt? (Mücke dazu: “Es wäre allerdings fatal, wenn sie ein Projekt nur deshalb nicht umsetzen, weil Sie es sich nicht anrechnen dürfen”). Wie kann man es sich konkret vorstellen, dass 10% oder 40% der möglichen Freiflächen mit Flächen-Photovoltaik belegt werden, wieviel Fläche ist das und wo?
Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass es sich um einen Entwurf handelt. “Es ist ein Rechenbeispiel, das auf gewissen Annahmen beruht”, sagte Herr Mücke. Im Rahmen dieser Annahmen ist die Rechnung richtig. Natürlich könne man über die Annahmen diskutieren.

Bebauungspläne

Der Gemeinderat beriet zwei Entwürfe für vorhabenbezogene Bebauungspläne in der Friedrichsdorfer Landstraße (Schlickenrieder-Areal, 7 Häuser mit 60 Wohneinheiten, siehe auch hier) und Neckarstraße (Wohngebäude mit 19 Einheiten, siehe auch hier). Zu beiden Bebauungsplänen gehört ein Energetisches Konzept, das einen Effizienzstandard KfW 55 und die Nutzung Erneuerbarer Energien vorsieht, allerdings nur zu mindestens 55%, nicht zu 100%. Zwei Bürger, einer davon der Autor, hatten in Stellungnahmen im Rahmen der Offenlage darauf hingewiesen, dass dies nicht ausreiche, um die Klimaziele der Stadt zu erreichen. Die Stadt wiederum hatte geanwort, durch die Rechtslage in ihren Möglichkeiten eingeschränkt zu sein und dabei den Standpunkt vertreten, ihre Klimaziele in vorbildlicher Weise zu verfolgen. Auf Nachfrage des Autors in der Bürgerfragestunde schränkte der Leiter des Bauamts, Detlef Kermbach, allerdings ein, dass sich die Formulierung nicht direkt auf die Umsetzung des Klimaschutzziels bezogen habe, sondern darauf, wie Wünsche aus dem Gemeinderat aufgenommen wurden sowie auf Rückmeldungen aus dem Gemeinderat selbst. In der Tat waren die Konzepte zuletzt von allen Fraktionen gelobt worden (siehe hier und hier).
Die AGL-Fraktion stellte dieses Mal dennoch erneut einen Antrag, der in ähnlicher Form schon am 25.03. gestellt worden war (hier). Sie beantragte darin eine Festsetzung von Passivhaus-Niveau oder alternativ mindestens KfW40-Standard. “Gebäude haben lange Erneuerungszyklen”, heißt es zur Begründung zum Antrag und weiter “Neubauten, die nicht zukunftsfähig gebaut werden, werden noch mindestens weitere 50 Jahre zu viel Energie verbrauchen und für die Bewohner hohe, immer weiter steigende Energiekosten verursachen.”

Die anderen Fraktion verwiesen in der Folge darauf, dass die Gespräche mit dem Bauträger bereits seit ein bis zwei Jahren liefen. Die Zusammenarbeit sei problemlos und weitaus kooperativer gewesen als das üblich sei. Auf Wünsche des Gemeinderats sei eingegangen worden. “Wir sehen uns verpflichtet, die Grundlagen, denen wir zugestimmt haben, beizubehalten, alles andere wäre ein Bruch”, sagte Stadtrat Stumpf (CDU). “Die Stadt muss ein verlässlicher Partner sein”, bekräftigte Stadtrat Scheurich (SPD). Es sei bereits alles gesagt, schloss sich Peter Wessely (FWE) an.

Nur Stadtrat Scheurich (SPD) ging detaillierter auf den Vorschlag ein. Ein Gebäude müsse nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich sein, der Bau eines Gebäudes im Passivhausstandard sei sehr teuer. Außerdem funktioniere so ein Gebäude nur, wenn der Nutzer mitspiele. Wichtiger noch als der Dämmstandard sei die Klimaneutralität der Wärmeversorgung (die im Antrag der AGL nur mit mind. 55% erneuerbare Energien vorgesehen ist, Anm.d.Verf.).
Zur Frage der Kosten zeigte Kerstin Thomson an einem realen Beispiel-Projekt auf, wieviel Energiekosten beim Passivhaus eingespart werden könnten. Die Baukosten amortisierten sich nach 10 bis 15 Jahren. Sie bezeichnete das Anliegen der AGL als Notwendigkeit im Sinne der Daseinsvorsorge, denn es gehe hier sowohl um Klimaschutz als auch um dauerhaft bezahlbare Energiekosten für die Eberbacher Bürgerinnen und Bürger.

Die anderen Gemeinderäte schienen sich vorwiegend daran zu stören, dass die AGL-Fraktion die Anforderungen verpflichtend festsetzen wollte. Im Sinne eines Entgegenkommens regte Stadtrat Scheurich (SPD) daher an, man könnte den Bauträger bitten, das energetische Konzept vor der Baugenehmigung noch einmal mit der Stadt abzustimmen und eine klimaneutrale Wärmeversorgung anzustreben. Diese Anregung blieb jedoch in der Luft hängen. Letztlich stimmte der Gemeinderat mehrheitlich gegen den Antrag. Dafür stimmten die Mitglieder der AGL-Fraktion, Dietmar Polzin (FWE) und Bettina Greif (CDU). Nicht anwesend war Stadrat Röderer (SPD).

Mit Blick auf die Zukunft regte die AGL-Fraktion in ihrem Antrag an, der Gemeinderat möge einen Grundsatzbeschluss fassen, dass Neubauten in Eberbach in Zukunft nach demjenigen Standard gebaut werden sollen, der dem Klimaziel am nächsten kommt. Zu hören war außerhalb der Sitzung bereits, dass alle Fraktionen signalisiert hätten, dass sie zu höheren Anforderungen bei zukünftigen Projekten bereit wären. Innerhalb der Sitzung sagte Stadtrat Scheurich, über eine Handlungsrichtlinie solle man sich tatsächlich unterhalten, beispielsweise in Bezug auf den Bebauungsplan Ringenacker Erweiterung in Pleutersbach (siehe auch hier). Auch der Leiter des Bauamts, Detlef Kermbach, hatte auf die Fragen des Autors in der Bürgerfragestunde zu Beginn der Sitzung gesagt, dass das Verfahren, wie in Zukunft im Licht des Klimaziels Bebauungsvorschriften festgelegt werden, nachbesserungswürdig sei.