Windkraft und Klimaziel

In der Diskussion um die Windkraft ist die eine Seite der Auffassung, ohne Windkraft gehe es nicht. Die andere Seite sagt, viel zu viel spräche dagegen und es gäbe reichlich Alternativen. Die Stadtverwaltung hat über das Für und Wider vorbildich informiert. Was die bisherige Diskussion aber nicht leistet, ist eine Einordnung mit Blick auf das vom Gemeinderat beschlossene Klimaziel, das die Klimaneutralität der Stadt Eberbach bis zum Jahr 2035 festschreibt. Diese Einordnung möchten wir hier nachreichen.

Die Klimainitiative tritt nicht für einzelne Maßnahmen ein, sehr wohl aber für das Ziel eines klimaneutralen Eberbachs bis 2035 aufgrund der wissenschaftlichen Notwendigkeiten. Damit dieses Ziel erreichbar bleibt, muss jede Entscheidung vor diesem Ziel beleuchtet werden. So auch die Entscheidung über Windkraft auf dem Hebert.

Wie Klimaneutralität in Eberbach zu erreichen ist, soll ein Meilensteinplan aufzeigen, den die Stadtverwaltung beauftragt hat. Dieser Plan kann in Zukunft bei der Einordnung helfen. Bis zum 03. April, dem Tag des Bürgerentscheids, liegt er allerdings noch nicht vor. In gewisser Weise muss nun der erste Schritt getan werden, bevor die Route geklärt ist. Ein systematischeres Vorgehen wäre wünschenswert.

Entschieden werden muss nun dennoch am 03. April. Erfreulicherweise sind die wesentlichen für eine Einordnung notwendigen Daten öffentlich verfügbar, so dass wir und Sie selber einordnen können. Prüfen Sie selbst, alle Quellen und Rechnungen sind angegeben. Setzen Sie auch gerne präzisere Zahlen ein, das Ergebnis bleibt qualitativ das Gleiche.

Einordnung

Zwar umfasst Klimaneutralität nicht nur die Energieerzeugung, doch ist es offensichtlich, dass Klimaneutralität ohne 100% erneuerbaren Strom nicht möglich ist. Beschränken wir uns also der Einfachheit halber auf diesen einen Bereich und betrachten die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Für die Stromerzeugung sind dies vor allem Wasser, Sonne und Wind. Biomasse und Geothermie ordnen wir eher der Wärmeerzeugung zu, wobei über Kraft-Wärme-Kopplung auch Strom erzeugt werden kann. Hier fehlen uns Informationen zum anfallenden Biomasse-Abfall oder der Möglichkeit tiefengeothermischer Anlagen in Eberbach. Wir nehmen Hinweise gerne entgegen.

   30 GWh Wasserkraft Das Potenzial für Wasserkraft in Eberbach ist ausgeschöpft. Das Kraftwerk Rockenau hat eine Leistung von 5 MW, das Itter-Kraftwerk 1,1 MW. Auf Basis einer für Wasserkraft typischen Volllaststundenzahl von 4600 können sie 28 GWh erzeugen. Wir runden auf 30 GWh.
   30 GWh Solar-Dächer Das Klimaschutzkonzept von 2012 spricht von einem Solar-Potenzial von 15 GWh auf Eberbacher Dächern. Die im Energieatlas erfassten Dachflächen lassen bei optimistischen Ansätzen auf 40 GWh schließen. Wir nehmen die großzügige Mitte.
   60 GWh Windkraft 5 Windräder mit 6 MW Leistung können bei für Baden-Württemberg typischen 2000 Volllaststunden 60 GWh erzeugen.
   106 GWh Der Stromverbrauch in Eberbach im Jahr 2017 lag bei 106 GWh.

In dieser Mischung könnte Eberbach seinen Strombedarf zum heutigen Zeitpunkt klimaneutral decken.
Zu beachten sind:

Ohne Windkraft

StwGD, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Um das Ziel der Klimaneutralität ohne Windkraft zu erreichen, müssten 60 GWh anderweitig erzeugt werden. Wasserkraft und Dächer sind bereits ausgeschöpft. Es bleiben daher nur Solarfelder (Flächen-Photovoltaik). Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.

Für 60 GWh werden 72 ha Fläche benötigt (bei 1,2ha/MWp). Zur Einordnung: Der Kunstrasen in der Au ist 0,714 Hektar groß, die benötigte Fläche 100 mal größer. Ein Windpark auf dem Hebert wäre 2,5ha groß, die benötigte Fläche 29 mal größer. Der Solarpark auf dem Bild ist 14ha groß, die benötigte Fläche 5 mal größer.

Der Energieatlas weist für Eberbach 397ha mögliche Flächen aus. Die größten Flächen darunter sind Unterdielbach (100ha), Brombach (75ha), Friedrichsdorf (45ha), Breitenstein (40ha), Igelsbach (27ha) und Pleutersbach (27ha). Rechnerisch ist genügend Fläche vorhanden.
Allerdings werden 98% der Fläche nur als "bedingt geeignet" ausgewiesen und die Flächen gehören einer Vielzahl von Eigentümern, was die Realisierung großer Anlagen zu einem äußerst aufwändigen Abstimmungsprozess macht. Hinzu kommt die Abwägung, wieviel Fläche welchem Ortsteil zuzumuten ist, denn die Flächen sind sehr groß.
Wie groß, das zeigt Ihnen unsere Bilderreihe, durch die Sie mit den Pfeilen rechts und links blättern können. Die möglichen Solarflächen werden so im Energieatlas ausgewiesen und sind in gelb (bedingt geeignet) und grün (geeignet) dargestellt. Sie können sich die Flächen auch im Original im Energieatlas ansehen. Zur Erinnerung: benötigt werden 72ha, also etwa so viel wie die gesamte für Brombach dargestellte Fläche.

Igelsbach heute
1 / 14
Igelsbach mit 27ha Solarfeldern
2 / 14
Pleutersbach heute
3 / 14
Pleutersbach mit 27ha Solarfeldern
4 / 14
Der Breitenstein heute
5 / 14
Der Breitenstein mit 40ha Solarfeldern
6 / 14
Unterdielbach Nord heute
7 / 14
Unterdielbach Nord mit 40ha Solarfeldern
8 / 14
Friedrichsdorf heute
9 / 14
Friedrichsdorf mit 45ha Solarfeldern
10 / 14
Unterdielbach Süd heute
11 / 14
Unterdielbach Süd mit 60ha Solarfeldern
12 / 14
Brombach heute
13 / 14
Brombach mit 75ha Solarfeldern
14 / 14

Einschätzung

Die Rechnung zeigt, dass Klimaneutralität auch mit Windrädern auf dem Hebert ein großer Kraftakt bleibt. Nur mit größter Mühe werden sich annähernd alle Hausbesitzer für Dach-Photovoltaik gewinnen lassen.

Das Potenzial der Wasserkraft ist in Eberbach bereits weitestgehend ausgeschöpft. Ohne Windkraft bleibt das Ziel der Klimaneutralität daher nur durch den Bau großer Solarfelder erreichbar. Nötig wären 72ha, 100 mal der Kunstrasenplatz in der Au. Viele Ortsteile, möglicherweise alle, wären betroffen, allen voran Unterdielbach und Brombach, wo die größten Freiflächen existieren, möglicherweise auch der Breitenstein.

Für Solarfelder müssen im Gegensatz zur Windkraft kaum Bäume gefällt werden, es würden vorhandene Freiflächen genutzt. Es entsteht keine Schallbelästigung. Je nach Auslegung können die Flächen weiter als Wiesen und für die Landwirtschaft genutzt werden. Greifvögel und Fledermäuse sind nicht beeinträchtigt. Allerdings haben auch Solarfelder laut NABU Auswirkungen auf Tiere und Bodenbiodiversität. Daher gilt es zu berücksichtigen, dass die betroffene Fläche knapp 30 mal größer wäre als im Falle eines Windparks auf dem Hebert.
Betrachtet man den Umsetzungsaufwand, wäre ein Windpark ein vergleichsweise einfach zu realisierender und zugleich großer Schritt in Richtung Klimaneutralität. Bei Solarfeldern lassen die zersplitterten Besitzstrukturen, die Beeinträchtigung der Ortsteile und Auflagen von Natur- und Landschaftsschutz befürchten, dass es schwer bis unmöglich wird, aus den theoretischen Potenzialen des Energieatlas in der Praxis hinreichend große Flächen zu entwickeln.

Eines jedoch macht die Betrachtung der erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung in Eberbach auf jeden Fall deutlich: Wenn wir uns gegen Windkraft entscheiden, werden wir in Zukunft vielerorts zwischen Solarfeldern spazieren gehen.

Ergänzungen und Kommentare

Einige inhaltliche Ergänzungen und Kommentare wurden von verschiedenen Personen an uns herangetragen. Wir danken für das Interesse am Austasuch und greifen die Punkte gerne anonym auf.

Die Aussage, nur Wasser, Sonne, Wind sind für erneuerbare Energie einsetzbar, ist falsch. Es fehlen Geothermie und Biomasse

Antwort: Wir betrachten Klimaneutralität nicht vollständig, sondern beschränken uns auf den Stromsektor. Dies ist im Abschnitt "Einordnung" dargestellt. Geothermie und Biomasse wurden ausgespart, weil wir bei unserer Recherche zu dem Ergebnis gekommen sind, dass sie eher Wärme- als Stromquellen sind. Tatsächlich kann mittels Kraft-Wärme-Kopplung aber auch Strom erzeugt werden. Wir haben den Hinweis im Text ergänzt, benötigen für eine weitere Einordnung jedoch Daten zum anfallenden Biomasse-Abfall in Eberbach oder zur Möglichkeit der Errichtung einer tiefengeothermischen Anlage. Informationen nehmen wir gerne an.

Wenn sich Lösungen zur Klimaneutralität nur auf lokale Möglichkeiten stützen, so könnten die meisten Städte in Deutschland nicht klimaneutral werden, denn nur ganz wenige Städte haben die Möglichkeit, Windkraftanlagen oder großflächige PV Anlagen außerhalb der Dachflächen zu installieren.
Doch diese Städte haben die Möglichkeit der überregionalen Kooperation (siehe Klimakonzept Heidelberg). Dies bedeutet, man investiert zur Kompensation des eigenen CO2-Ausstoßes zum Beispiel in Gesellschaften zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese bauen dann an auswärtigen Standorten. Diese Kompensationsmöglichkeiten könnten durchaus sinnvoll sein, wenn man Lösungsansätze wie hier beschrieben in diese Betrachtung mit einbeziehen würde. (Auf 1,6 Kilometer Autobahn mit 47.000 Solarpanels die 20 GWh Strom erzeugen). Solche Möglichkeiten könnte uns in Eberbach Flächen-PV und Windkraft beide ersparen und wären der bessere Weg, trotzdem schnell klimaneutral zu werden.

Antwort: Bezüglich der Klimaneutralität von Eberbach, wie der Gemeinderat sie beschlossen hat, folgen wir in unserer Darstellung dem verbreiteten Ansatz, diese territorial zu betrachten, also innerhalb der Grenzen der Gemarkung. So geschieht es auch im BISKO-Standard, nach dem die CO2-Bilanz für Eberbach erstellt wird.
Der Hinweis, dass nicht jede Kommune aus eigener Kraft klimaneutral werden kann, ist sicher richtig. Gängigen Untersuchungen zufolge wird auch Deutschland nicht ohne Energieimporte klimaneutral werden können.
Wichtig zu beachten erscheint uns, dass bei der "überregionalen Kooperation" nicht auch die Verantwortung ausgelagert wird. Der Ansatz der Kompensation, wie er auch von Flugunternehmen oder Paketdiensten praktiziert wird, birgt das Risiko, die eigenen Möglichkeiten der Einsparung und der Erzeugung zu vernachlässigen. Deshalb scheint es uns wichtiger, zuerst die Möglichkeiten im eigenen Einflussbereich gründlich zu untersuchen. Die Grundzüge einer solchen Untersuchung werden hier dargestellt. Sie ist kein Handlungsvorschlag.

Die Erträge des Windparks Hebert sind in der Rechnung nicht auf dem neuesten Stand. In der Infobroschüre der Stadt ist von 78 Mio kWh pro Jahr zu lesen.

Antwort: Die Rechnung basiert an vielen Stellen auf Prognosen. 78 Mio kWh sind die Prognose der Firma BayWa r.e. Diese hat mit Sicherheit Berechtigung. Wir haben uns entschieden, auf eine sehr konservate Prognose zurück zugreifen, nämlich den real gemessenen Durchschnittswert der Volllaststunden in Baden-Württemberg.

Die Gegenüberstellung konzentriert sich hauptsächlich auf den reinen Flächenvergleich. Die Auswirkungen des Windindustrieausbaus wurden nicht thematisiert, sollten aber bei der Abwägung auch eine Rolle spielen.

Antwort: Über das Für und Wider der Windkraft wurde an anderen Stellen und von anderen Akteuren gut und ausführlich informiert. Die dort dargestellten Argumente und die daraus folgende notwendige Abwägung werden hier nicht in Frage gestellt. Zugleich wollten wir nicht reproduzieren, was schon vielfach gesagt wurde, sondern einen weiteren, aus unserer Sicht zentralen Aspekt beitragen. Für das Für und Wider verweisen wir auf die Informationen von Stadt, IWE und Rettet den Hebert.

Dem Energiesparen als Alternative sollte mehr Bedeutung beigemessen werden.

Antwort: Wie bereits weiter oben erwähnt, handelt es sich in unserer Darstellung nicht um eine vollumfänglich Betrachtung des Ziels der Klimaneutralität. Wir beschränken uns auf den Bereich der Stromerzeugung.
Der Aspekt des Energiesparens ist bei uns dennoch berücksichtigt dadurch, dass in unserer Darstellung lediglich 120 GWh Strom erzeugt werden, der Entwurf des Meilensteinplans jedoch von einem Bedarf von 177 GWh im Jahr 2035 ausgeht. Wir verwenden hier also einen deutlich sparsameren Verbrauch.